Ein Herz für Menschen
mit kleinem Geldbeutel
Engagement
Helfen, wo man gebraucht wird:
Ute Krahls Leidenschaft gehört der „Tafel“,
die bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgt.
Eigentlich war ihre Welt immer eine der Technik – zumindest in beruflicher Hinsicht. Als Ingenieurin der Nachrichtentechnik waren Ute Krahls Zuhause komplexe technische Systeme. Ein Sektor, in dem Frauen früher nicht allzu oft vertreten waren. In ihrer Freizeit aber widmete sich die inzwischen 67-Jährige immer lieber Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, statt Zahlen und Daten.
Einige Jahre war sie im Vorstand im Nürnberger Schlupfwinkel – einem Verein der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Inzwischen engagiert sie sich bereits seit zehn Jahren im Diakonieverein Eckental, mittlerweile als Erste Vorsitzende. „Ich brauchte schon immer einen Gegenpol zu der technischen Ausrichtung in meinem Beruf“, sagt sie heute. Eine bescheidene Untertreibung, denn Ute Krahl hat es mit ihrem Team geschafft, in einer kleinen Marktgemeinde wie Eckental aufzubauen, was Großstädte schon seit vielen Jahren bieten: eine Tafel für Bedürftige.
„Zunächst gaben wir nur Dinge an Flüchtlinge aus, die 2015 nach Eckental gekommen waren und unsere Hilfe brauchten“, erzählt sie. 2016 begann man das Angebot schließlich zur Tafel umzubauen. Eine neue Aufgabe für den Diakonieverein, der zuvor das Senioren- und Pflegeheim betrieben hatte und sich nun neu aufstellen wollte.
Inzwischen sorgt sie mit ihrem Team Woche für Woche dafür, dass Menschen Lebensmittel bekommen, die die Wohlstandsgesellschaft nicht mehr will, Ware die sonst im Müll landen würde. „Wenn ich an den Ausgabetagen hier stehe und die Berge von Dingen sehe, die wir ausgeben und damit auch retten, macht mich das schon ein wenig stolz“, sagt sie.
Immerhin geben die insgesamt 40 Ehrenamtlichen und eine Vollzeitkraft pro Woche etwa 1,25 Tonnen Waren des täglichen Bedarfs weiter – vom Brötchen über Obst und Gemüse bis hin zu Dosen. Schokolade oder Gewürze. Eben das, was nicht mehr zu verkaufen wäre. Und das an gerade mal einem Tag in der Woche.
Bereits am Morgen beginnt dann das Team zu sortieren, zu verpacken und die Regale mit dem zu bestücken, was Bäcker, Supermärkte und Discounter gespendet haben. Es ist auch ein Knochenjob, weil der kleine Raum dafür erst mal immer wieder aufs Neue eingerichtet werden muss, damit er sich vom Büro zur Ausgabestelle mit vielen Regalen verwandelt, wenn er denn nicht für die Seniorennachmittage genutzt wird. Auch die hat Ute Krahl vor ein paar Jahren ins Leben gerufen, damit auch alte und ältere Menschen mit (beginnender) Demenz Freizeitangebote finden: sei es beim gemeinsamen Singen oder Basteln, bei Sitzgymnastik oder einfach nur einem gemütlichen Kaffeetrinken.
Die treibende Kraft
60 Stunden ehrenamtliche Hilfe sind pro Woche alleine für den Betrieb der Tafel nötig, etwa 3000 jährlich. Seit ihrem Eintritt in den beruflichen Ruhestand vor sechs Jahren ist Ute Krahl noch häufiger im Einsatz. Bis zu 20 Stunden pro Woche arbeitet sie inzwischen ehrenamtlich für die Tafel und ist dabei schier unermüdlich – ob nun beim Organisieren der Ware oder eben am Ausgabetag selbst. Oder, wie es eine Weggefährtin formuliert: „Sie ist das Herz und die treibende Kraft“, die die vielen Ehrenamtlichen wie von selbst bei der Stange halten würde.
Das ist umso wichtiger, als das Team inzwischen 95 Familien versorgt und somit etwa 225 Menschen. Es sind unterschiedliche Frauen und Männer, die immer donnerstags zu dem kleinen Haus am Ortsende unweit der Felder kommen. Denn die Kundschaft hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Am Anfang kamen vor allem Flüchtlinge, heute sind es auch viele Alleinerziehende und immer mehr Ältere“, berichtet Ute Krahl.
Nicht nur in der Großstadt
Auch ist Bedürftigkeit eben kein primäres Phänomen der Großstadt mehr, sie grassiert längst auch in scheinbar ländlichen Idyllen. „Es werden immer mehr“, beobachtet auch sie. Die Tafel sei ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. Und so bekommen die Helfer seit vielen Monaten auch die Folgen der Pandemie zu spüren. Kurzarbeit, Job-Verlust – immer häufiger sind auch jüngere Menschen unter den Wartenden.
Sie wisse, „wie viel Elend sich hinter der Fassade“ verberge, sagte Ute Krahl. Viele Kunden kommen regelmäßig. Dennoch gibt es eine klare Devise. „Wir stellen keine Fragen. Aber wer reden möchte, dem hören wir gerne zu und versuchen, Hilfe zu vermitteln.“ Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die da zusammenhilft. „Ich finde es wundervoll, wie alle an einem Strang ziehen.“ Alle eine das Gefühl, etwas Gutes zu tun.
Für sie selbst ist die Tafel eine Herzensangelegenheit, „mein Kind“, wie sie sagt. „Es ist mir wichtig, durch meine Arbeit ein wenig von der Tragik abmildern zu können. Wir helfen, dass die Menschen nicht alles für Lebensmittel aufbringen müssen.“ Im Idealfall bleibe dann Geld für Schuhe für die Kinder, ein Buch oder sogar einen Besuch im Kino übrig. „Sicher, wir können nicht das ganze Leben bestreiten. Aber wir verschaffen den Betroffenen Luft.“ Ein wenig Freiraum für Menschen, deren Leben ansonsten überschaubar ist.
INFO
Den EhrenWert-Preis vergeben die Stadt Nürnberg und die Universa-Versicherungen jeden Monat an einen engagierten Menschen aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Vorschläge können laufend eingebracht werden: ehrenwert@stadt.nuernberg.de oder (0911) 231-3326.
26.03.2022 | IRINI PAUL
QUELLE: Wochenblatt: Jahr 2022 | Ausgabe 14 | Seite 12